Die Freundschaft Martin Luthers mit dem Pretzscher Adligen Hans Löser
Erhard Dubrau, Pretzsch-Elbe: Im Jahr 1508 kam der Augustinermönch Martin Luther (1483-1546) auf Vermittlung seines Ordens-oberen, des Generalvikars Johann von Staupitz von Erfurt nach Wittenberg. Er lehrte ein Jahr an der hiesigen Universität, die eng mit dem Wittenberger Augustinerkloster verbunden war. 1511 nahm er seinen ständigen Wohnsitz in der Stadt. Ein Jahr später erwarb er die Würde eines Doktors der Theologie an der Leucorea und übernahm die Bibelprofessur. Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, am wenigsten er selbst, dass sein Name einmal in der ganzen Welt bekannt sein wird. Es ist der Missbrauch des Ablasshandels, der den Theologen Luther im Jahr 1517 einen ungewöhnlichen Schritt unternehmen lässt. Er veröffentlichte an der Tür der Schlosskirche am Vorabend von Allerheiligen seine 95 Thesen, in denen er darlegte, dass das Seelenheil eben nicht dadurch zu erreichen ist, dass lediglich „Geld im Kasten klingt“ und löste damit die Reformation aus.
Hans Löser (1481-1541) konnte aus nächster Nähe die Ereignisse in Wittenberg miterleben, die seit dem Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 ihren Lauf nahmen.
Wer war nun dieser sächsische Adlige?
Hans Löser stellen wir uns als einen tapferen Kriegsmann vor. 1493 erbte er die Besitztümer von Pretzsch. Dazu gehörten über 35 Dörfer. Gleichzeitig erhielt Löser das Amt eines sächsischen Erbmarschalls. Diese vererbbare Funktion entsprach dem Vorsitz der Landstände1 bei den Landtagen.

So war Hans Löser auch verpflichtet seinem Kurfürsten zu dienen. Er begleitete den Herzogsohn Heinrich den Frommen bei zwei Wallfahrten. Eine nach Spanien (Compostela) und die andere nach Palästina zu den heiligen Stätten. Hier wurde der Pretzscher Schlossherr zum Ritter geschlagen. Im Auftrag des deutschen Kaisers leistete er besondere Kriegsdienste in den Kämpfen gegen Venedig und 1512 besiegte er mit die Franzosen bei Ravenna. Kaiser Maximilian I. lobte ihn: „ fertig mit der Faust, listig von Rat, behände, unerschrocken und ungescheut jeder Zeit dem Feinde gegenüber“.

Aus der Freundschaft Hans Lösers mit Dr. Martin Luther erstarkte im Raum um Pretzsch der Protestantismus. Luthers Einfluss auf den Schlossherren war sehr groß. So wurde Löser Mitglied der Visitationskommission für die Parochie Pretzsch. Dadurch kamen der Reformator und der Schlossherr öfters zusammen.
Auf ausdrücklichen Wunsch von Hans Löser kam Luther auf einer Reise nach Torgau in das Dorf Sachau und hielt am Johannistag 1522 in der kleinen Kirche die erste evangelische Predigt. Noch heute befindet sich vor der Sachauer Kirche eine Holztafel mit den Versen:
Die Kirche, welche hier vor deinen Augen liegt, hat Doktor Luther mehr als vor 200 Jahren persönlich eingeweiht. Nachdem es Gott gefügt, daß sich sein wertes Wort hier müsste offenbaren, ist Doktor Luther selbst auf einem Predigtstuhl gestanden und hat da die reine Lehr gelehret. Weil diese Kirche nun ist eine Luther=Schul, so wollst du, Leser, sie nicht lassen unverehret. Anno 1767

Der Bauernkrieg hatte die Reformatoren zutiefst bewegt. Die Meinungen über seine Ursachen, über die Berechtigung der Anliegen der Aufständigen und über die wirksame Bekämpfung der Unruhen gingen auch nach der Zerschlagung weit auseinander. Luthers persönliche Erlebnisse während einer Reise Ende April 1525 durch Teile des mitteldeutschen Aufstandgebietes, bei der er nicht nur einmal um sein Leben fürchten musste, bestätigten ihn zu der ablehnenden Haltung. Sie veranlasste ihn im Mai zu einer Bauernkriegsschrift, die den Titel: „Wider die mörderischen vnnd rewbischen rotten der bawren“ trug.
Hans Löser war einer der Ersten, der den Aufruf von Luther folgte. Der Burgherr unterstützte befreundete Fürsten, besonders den Landgrafen Philiph von Hessen, die Aufstände der Bauern niederzuschlagen. Es mussten Bauernsöhne der Elbaue gegen fränkische Bauern kämpfen und viele ihr Leben lassen.

In Luthers Tischgesprächen, Briefen, Predigten erwähnte er auch den Rittergutsbesitzer Hans Löser. Überliefert ist aus seinen berühmten Tischreden folgender Wortlaut:
„Ich will meine Kinder, will Gott, verschicken. Welcher ein Krieger will sein, will ich Hans Löser zuschicken. Welcher studieren will, den soll Doktor Jonas und Philippus haben. Welcher arbeiten will, den will ich zu einem Pauren (Bauern) fertigen.“

Luther war es, wie es in der Löserschen Familienchronik heißt, der dem schon in reiferen Jahren lebenden Hans Löser das Versprechen abnahm, der freien Liebe zu entsagen und ein Weib zu nehmen. Er schlug ihm als Gemahlin „die von Tugend und Schönheit fürtreffliche Tochter Johann Porzigs aus der Grafschaft Mansfeld“ vor.
Im August 1523 hatte Löser Luther versprochen, endlich zu heiraten. Dieser versprach ihn zu trauen. Um dieses Versprechen noch zu bekräftigen, widmete der Reformator deshalb 1523 seine berühmte Auslegung des 7. Kapitels St. Pauli an die Korinther:
„In der er der so genannten Keuschheit der Priester, Mönche, Nonnen und andere Hagestolze mit den sieghaften Waffen echter Humanität und echten Christentums zu Leibe geht.“
Diese Auslegung schickte er Löser als Brautlied zu.
Im Dezember 1524 heiratete Hans Löser das Edelfräulein Ursula von Porzig aus Witzschke. Luther, begleitet von Amsdorf, Justus Jonas und Philipp Melanchthon, erschien auf dem Pretzscher Schloss und vollzog die Trauung.
Ein halbes Jahr später im Juni 1525 heiratete Luther Katharina von Bora. Lösers Frau Ursula von Porzig starb am 23. Juli 1536. 1540 heiratete dieser zum zweiten Mal; Luther hat beide getraut. Dazu erfahren wir aus einem Brief, den Melanchthon am 19. August 1540 an Amsdorf schreibt: „Dominus doctor...vocatus est ad Pretsch, quo veniet domina Dresdensis (Herzogin Katharina) adducens sponsam Hans Lösers.“ (Der Herr Doctor...ist nach Pretzsch gerufen worden, um die aus Dresden angekommene Frau Hans Löser als Braut zuzuführen.)
Der Schlossherr hatte den Reformator als Taufpate (Gevatter) seines Sohnes Hans nach Pretzsch eingeladen. Dazu schickte er einen Hirsch und ein Fass von dem guten Pretzscher Bier. Der kleine Löser wurde 1532 von Luther in der Schlosskapelle getauft. 54 Paten waren anwesend, darunter Melanchthon, Amsdorf, Justus Jonas.

Erfreut war der Schlossherr über die Bitte Luthers, die Patenschaft für seinen Sohn Paul (dem späteren Arzt) zu übernehmen. Bekannte Paten waren: Herzog Johann Ernst, der jüngere Bruder des Kurfürsten Johann Friedrich, Justus Jonas, Melanchthon und Kaspar Lindemanns Gattin. Luthers Einladung hatte folgenden Wortlaut:
„Dem Gestrengen, Ehrenvesten Hans Löser, Erbmarschall zu Sachsen, meinem günstigen Herrn und freundlichen lieben Gevatter!
EW. Gestrengen wolle sich demütigen, Gott zu ehren, und meinem jungen Sohn, den mir Gott diese Nacht bescheret hat von meiner lieben Käthen, förderlich und hilfreich erscheinen, damit er aus der alten Art Adams zur neuen Geburt Christi durch das heilige Sakrament der Taufe komme und ein Glied der heiligen Christenheit werden möchte. Ob vielleicht Gott der Herr ihn zu einem Feind des Papstes oder der Türken erziehen wollte. Ich wollte ihn gern um die Vesperzeit lassen taufen, auf daß er nicht lange ein Heide bleibe und ich desto sicher werde, Ew. Gestrengen wollte sich ohnbeschwert hereinfinden und solch Opfer Gott zu Lob helfen vollbringen.“ Amen
In der Nacht um 1 Uhr, Mittwochs nach St. Pauli (25. Januar) 1533.
Euer Gestrengen williger Diener Martin Luther.


In der Löser-Chronik sind folgende Anmerkungen über Hans Löser zu finden:
„Die reine Lehre des göttlichen Wortes nicht allein erkannt und bekannt und dagegen den papistischen Greuel von Herzen feind und zuwider gewesen, geht daraus vor, daß er absonderlich die Herren Lutherum, Philippum, Melanchthon und Pomeranum vielfältig und gerne um sich gehabt und mit ihnen aus Gottes Wort conferieret.“

Das erscheint logisch und unterstreicht auch folgende historische herzliche Begegnung:
Im Spätherbst 1531 war Luther gesundheitlich angegriffen. Er hatte „Kopfsausen“ und litt unter „Schwachheit“.
So wurde Luther von Löser zur Jagd eingeladen. Der Reformator nahm dankend an. Er hoffte durch „Bewegung des Leibes“ wieder zu Kräften zu kommen. Auch seine Katharina hat ihren „Doktor“ (so nannte Luthers Frau ihren Mann) zu diesem Ausflug mit den Worten: „Du musst an die frische Luft“ überzeugt. Martin Luther gehorchte, aber er tat auch bei der Jagd nichts anderes als in Wittenberg an seinem Pult: Er schrieb. Zu diesem Zweck zog er sich in einen Jagdwagen zurück und schrieb auf mitgebrachtem Papier seine Auslegung des 147. Psalms:
Denn da anno 1531 Dr Luther seine Gesundheit zu pflegen, nach Pretzsch verreiset und allda Herrn Hans Löser auch etwas schwach und unpäßlich gefunden, hat er solchen mit seiner Ankunft und trefflichen schönen Zusprüchen also ergötzet, daß er vom Bette aufgestanden und dem Herrn Luthero des anderen Morgens eine Jagd auf seiner Heide anstellen lassen, mit einander sich hinausbegeben und allerhand gute und geistreiche Gespräche unterwegs gehalten. Unterdessen aber und weil durch Hans Löser, wie er denn seinen Gebrauch gehabt, die Jagden selber anzuordnen und wie mit dem Aufstellen umgegangen worden, hat Dr. Luther die Version und Auslegung des 147. Psalms „ Lobet den Herrn Jerusalem“ auf dem Wege meditiert, hernach daheim amplisiciert und sodann Herrn Hans Lösern samt einer Dedikationsschrift, so auf gut jägerisch gestellet und wohl zu lesen, zu geschicket.
Diese Auslegung erstreckt sich heute über mehr als 20 Druckseiten. Es ist wenig wahrscheinlich, dass der gesamte Text im Wagen entstanden ist, aber Luther hat ihn dort begonnen.

Luther hat seine Auslegung zum 147. Psalm im Dezember 1531 Hans Löser gewidmet.
Er bedankte sich für die Möglichkeit der Teilnahme am Jagdgeschehen, bezeichnete jedoch seine schriftstellerische Tätigkeit scherzhaft als „Jagd“ und die Auslegung des 147. Psalms als „Wild“ und fuhr, übertragen in unsere Ausdrucks- und Schreibweise, fort:
Als ich das nun heimgebracht und zerlegt habe, wollte ich euch das anzeigen, damit ich nicht mit bösem Gewissen dieses auf Eurem Boden Gewonnene heimlich bei mir behielte und dadurch nicht allein als undankbar sondern auch als schädlich erkannt würde. Daher schicke ich Euer Gnaden dasselbe, soviel es ist, ganz und gar. Denn diese Art von Wild lässt sich wunderbar unter Freunden teilen, so dass es jeder ganz bekommt und dem anderen nichts abgeht, wolltet solches zu Gefallen annehmen.

Gnade und Friede in Christo Jesu!
Gestrenger und Ehrenvester, lieber Herr und Freund!
Als ich jüngstens bei Euch war, meines Kopfes Sausen
und Brausen durch Bewegung des Leibes zu vertreiben,
und Ihr mir damals große Ehre und Freundschaft er-
zeiget, auch mich damals auf Eure Jagd mit ausgeführet,
hielt ich auch zugleich auf meinem Wagen ein geistliches
Gejägt und jagte und sing den 147. Psalm mit seiner
Auslegung, welches mir denn die allerlustigste Jagd und
edelstes Wildpret damals gewesen. So ich nun das heim-
gebracht und zerwürget, habe ich Euch dasselbe anzeigen
wollen, auf daß ich nicht mit bösem Gewissen solches
Gut, auf Eurem Boden gewonnen, heimlich behielte und
nicht alleine undankbar, sondern auch schädlich erfunden
werde. Als schicke ich Euch dasselbe..... denn solches
Wild lasset sich wunderlich unter Freunde teilen, daß es
ein jeglicher ganz bekommet und dem anderen nichts ab-
gehet, wolltet solches zu Gefallen annehemen.


Der 147. Psalm beginnt mit:
Halleluja! Lobet den HERRN! Denn unseren Gott loben, das ist ein köstlich Ding, ihn loben ist lieblich und schön…

Öfters war Luther mit seinen Freunden Melanchthon, Amsdorf, Justus Jonas zu Besuch, zumeist im Zusammenhang mit Predigten, aber auch zur Erholung und Stärkung seiner oft recht angegriffenen Gesundheit auf dem Schloss Pretzsch.
Mehrmals erwähnte Luther den Schlossherren. So ist überliefert, dass der Reformator, als ihm 1537 in Schmalkalden eine schwere Krankheit befiel, an seinen Freund Löser dachte und mit einem Scherzwort den in Tränen ausbrechenden Melanchthon tröstete:
„Hans Löser pflegte zu sagen, es sei keine Kunst, gut Bier trinken, aber Sauerbier trinken sei eine Kunst, so denket nun, ich müsse mich in dieser Kunst üben“.
Luthers Forderung nach einer evangelischen Schule wurde in Pretzsch bald erfüllt, denn der Reformator forderte in einem Brief:
„ An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten halten sollen.“
1547 kam der erste „Schulmeister“ nach Pretzsch. Es war Cyprianus Schuster, der aus Schmiedeberg stammte und neben dem Unterricht gleichzeitig Küster und Kirchendiener war.. Die Teilnahme der Kinder am Unterricht war freiwillig und freiwillig gingen nur die Jungen, wenn sie gingen. So steht es in der Pretzscher Chronik
Im Juli 1541 starb der Schlossherr. Luther hielt in Pretzsch die Leichenpredigt. Melanchthon verfasste eine Grabschrift. Hans Löser war der erste, der in der hiesigen Kirche bestattet wurde.“ Die eigentliche Ruhestätte der Familie Löser war das Franziskanerkloster in Wittenberg.
Durch die Reformation wurde nach 1522 das Kloster aufgelöst und dessen Kirche geschlossen. 1521 begannen Studenten, sowie Augustiner, sogenannte Bilderstürmer, mit der Zerstörung des Klosters. So wäre es möglich, dass die Löser`s die Grabsteinplatte von Heinrich Löser bereits um diese Zeit nach Pretzsch gebracht hatten. In Pretzsch fand das wertvolle Epitaph seinen Platz am Kirchturm. Ob für Hans Löser ein Epitaph errichtet wurde ist unbekannt, allerdings sehr stark anzunehmen. Die Jahre überdauert hat es jedenfalls nicht.
Informationen
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Heidi Magazin
www.heidimagazin.de

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